Sonntag, 23. Oktober 2016
Ich beherrsche keine Gewalt besser, als die gegen mich selbst



Jugend
Da steht Sie
Dazwischen
Endlose Fragen sich in ihr vermischen
Sich mit ihrem sorglosen Lächeln verwischen

Ihr Gesicht trägt noch den frischen Glanz
Hinter ihr liegt jetzt ihr einst erster Tanz

Nun steht sie da
Mit naiv kindlichem Blick
An der Kreuzung im Sonnenlicht
Bis sie an ihrem gespaltenem Selbst zerbricht

Welchen Weg schlägt sie ein?
Wie darf, will oder sollte sie jetzt sein?
Fragend "zermadend" und ganz starr vor Angst
Beginnt sie ihren nächsten Tanz

Mit zittrigen Füßen
Sich aufmachend, den nächsten Schritt zu begrüßen

Irgendwo dazwischen
Zwischen Kindheit und Erwachsen
Zeichnet sie Punkte in neue Koordinatenachsen

Zieht Linien
Verbindet
Streicht durch
Und verschwindet

Die Kindheit ging verlorn
In die Reife noch nicht reingeborn
Blüht sie in des Jugend voller Pracht
Mit all der Schwere, die sie mit sich gebracht

Tanzt sie sich jetzt wagemutig hinein
In das unheimlich neue Lebensabschnitts-Sein.

Sind wir jemals dazu bereit?

Ich verschiebe meine Ankunftszeit
Suche eine Ausweichmöglichkeit
Vergeblich versuchend aufzuhalten
Die Vielfalt meiner Möglichkeiten
Ich komm dann mal beizeiten

Bis dahin werd ich mich verlaufen
Im Labyrinth der Jugend
Mir eventuell ne gültige Fahrkarte kaufen
Für den Zug Richtung "beängstigende Tugend"

Erwachsen werden
Erwachsen sein
Ich weiß von vornherein
Ich pass da (noch) nicht hinein



Winterabfall
In der morgendlichen Stille
nach dem ersten Augenaufschlag
liegt mein großer Wille
zu überstehen diesen Tag

Packs an!
Trau dich ran!
Mach dir den Zauber des Morgens zu Nutze
steh auf und stell dich in des eignen Schutze

Im Wandel stehst du
verwundert über deiner Seelenruh
gehst vor ein kleines Stück
und blickst dabei nicht zurück

Doch alle deine Schritte schwanken
in dir bilden sich unüberwindbare Schranken

Setz dir Grenzen
doch grenz dich nicht ein
Bewahre nicht mit großer Müh den äußerlichen Schein
Bleib in deinem Sein
schon bald kannst du dich befrein

Es fällt von dir ab
von deinen Schultern die Last, der Kummer und die Not
wie der Schnee des Nachts im Winter
fällt sie ab, die Sehnsucht nach dem Tod
entflieht und fällt dahinter
Im eiskalten, schneebedeckten Winter.



Satt werden
Es wird mir zuwider,
all diese Kriege mit dem Essen zu führen.
Entweder lass ich zu oder ich lasse davon ab.
Ich will dahinter treten, nicht davor und mich mit den unzähligen Oberflächlichkeiten dieser Krankheit nicht mehr auseinandersetzen müssen.
Ich will sie in keinster Weise mehr in Schutz nehmen, ich hab sie, nehme sie wahr, leb sie leider auch aus, aber ich verachte sie zutiefst.
Ich habs satt nicht satt zu werden!

Ich will mein Innerstes entdecken und nicht auf meine äußere Erscheinung angewiesen sein und mich letzendlich dadurch in Allem eingeschränkt fühlen.

Ich will leben!
Will sehen, dass ich gut und richtig bin, und ich bin mir sicher, dass ich das bin.



Unter dem Dreck liegt etwas Kostbares versteckt
Ich schmiede schon neue Pläne,
während ich noch in Alten hänge.
Schmeiß alles zu schnell hin
oder zieh es ewig in die Länge.

Ich geb nicht auf mich acht
pass nicht auf mich auf
Manchmal frier ich die ganze Nacht.
Nehm Gänsehaut einfach in Kauf,
bevor ich mich auf dem Weg zum Fensterschließen noch verlauf.

Denn wenn ich aufsteh,
besteht ja die Gefahr, dass ich vergess,
was ich eigentlich wollte
oder was ich eigentlich sollte.
Weil mir plötzlich ein größerer Gedanke
durchs Hirn rollte.

Ich weiß nicht was ich will,
bin tagelang ganz still.
Dann platzts aus mich heraus,
meine Sprache ist dem Kopf schon weit vorraus.
Ich rede viel zu viel
als wärs ein leichtes Spiel.

Verplapper mich,
bin täglich viel zu ehrlich.
Verletze dich
und schäme mich.

Des Dichters beste Schrift,
entsteht in Krankheit, Verzweiflung
oder unter Einfluss von Gift.

Ja, des Künstlers Meisterwerk
entsteht im Stillen,
im Verborgenen,
befreit vom eigenen Willen.

Tatsächlich.
So kurz vorm Untergang
entsteht des Komponistens
schönster Klang.

Und wenn etwas aus Dreck und Schmutz wachsen kann,
dann trau auch ich mich daran.
Aufgeben kommt für mich nicht mehr in Frage,
ich überstehe diese schweren Tage
und werde wieder Herr der Lage.

Meine Krise
gibt mir Auftrieb,
eine frische Brise.

Wenn du mal ganz kräftig pustest,
dann erblickst du unter meiner dicken Staubschicht
eine ganz neue Aussicht,
auf Wachstum und Veränderung
auch in Zeiten von starker Einschränkung.

Machs gut, Jemand glaub auch ganz sicher an dich.
Du wächst, nur siehst es noch nicht.



Bittersüß
Ich beschäftige mich mit dem Lesen und dem Schreiben.
Denn darin finde ich meine Leidenschaft, mein Halt und meine Art mich auszudrücken und rauzulassen, was sich in mir aufstaut.
Wenn ich Biografien von verstorbenen Dichtern, Schriftstellern usw. lese, erfasst mich immer eine große Demut, Dankbarkeit, Mitgefühl und Melancholie.

Plötzlich erscheint mir meine eigene Geschichte und bisherige Biografie so geringschätzig, von minderem Wert und fast schon von einer Friedlichkeit und Glückseligkeit bestimmt und ausgesetzt, im Gegensatz zu derer so mancher Verstorbener mit großen Köpfen und viel Inhalt, deren Kämpfe und Hindernisse von bedeutend größerer Gewalt und Gegenwehr geprägt waren. Vielleicht machten sie allerdings auch genau diese Zeiten und dieses Elend so schöpferisch.

Ich hab großes Glück in einer (kriegsfreien) Zeit aufzuwachsen, ohne existenzielle Nöte, Bedüfnissminimierung, sowieso ständiger Verzicht und Einschränkung.

Natürlich bin auch ich immer noch unfrei und ebenso eingeschränkt, allerdings auf einer anderen Ebene.
Die Gesellschaft und die Zeit haben sich gewandelt in etwas Besseres und Aushaltbareres, zum Glück.
Dennoch auch heute noch, gibt sie vor, fordert, schließt ein oder aus und leicht wird es wohl niemals sein.

Trotzdem bin ich dankbar, dass sich die Schwere, die Last, Not und die Anzahl meiner sich mir von außen in den Weg stellenden Schranken, in Grenzen hält.

Und obwohl auch ich große Kämpfe in und mit mir täglich austragen muss, die nicht von geringerem Leiden überschattet sind, hab ich dennoch Hoffnung und Glück auf Befreiung meiner Selbst von Ängsten, Zwängen und Grenzen und einer durchaus lebenswerten Zukunft in Frieden.