Liebes Leben, du bist doof!
Liebes Leben,
du bist ungerecht.
Ja ich weiß, das ist wohl nichts Neues, aber ich muss es dir sagen, denn es ist absolut nicht fair, dass du so ungerecht bist.
Ich will mich ja garnicht beschweren, oder vielleicht doch...denn manchmal macht es echt keinen Spaß mehr und ich frag mich nur wozu noch, wie es endet weiß ich eh schon.
Und was bringt es sich einen Film anzuschauen, wenn man das Ende eh schon kennt?
Geht es um die wenigen kurzen Zwischensequenzen, in denen man die Mundwinkel nach oben gezogen hat oder vor Freude weint (was mir allerdings noch nie passiert ist)?
Geht es wirklich um die vereinzelnt guten Tage, die im rießigen, schwarzen Meer der schlechten Tage untergehen?
Oder geht es um Verbindungen, um Beziehungen, darum etwas zu erschaffen, was vielleicht Unsichtbar ist, aber dennoch von großem Wert?
Nur was kann das sein?
Liebes Leben, du bist mir ein Rätsel.
Und ich bin eine Suchende, mir reicht es einfach nicht das Erreichbare, Alltägliche, das Streben nach Erfolg, oder das Aushalten der Tageslasten und das Stopfen von Seelenlöchern, in denen man sich verliert.
Mir reicht das nicht...das kann nicht Alles sein.
Ich habe Angst vor dem Vergessenwerden, andererseits ist mir bewusst, dass dies der Lauf der Zeit ist.
Wir Alle treten in Vergessenheit irgendwann und schlimm ist das eigentlich nicht, wenn man wenigstens die Gewissheit hätte, das etwas bleibt.
Wenigstens ein Stück weit Sicherheit hätte ich gerne.
Aber woher bekomme ich Sicherheit, wenn ich weiß, dass Morgen schon alles vorbei sein kann, oder heute schon, jetzt gleich in zwei Sekunden kipp ich vom Stuhl...einfach so...weil vielleicht mein Herz auch kein Bock mehr hat auf diese Sinnlosigkeit und die Ungerechtigkeit?
Was weiß ich schon, ich bin nur eine winzig kleine, bruchstückhafte Sequenz in dieser Welt.
Einmal mit dem Finger geschnipst und weg bin ich. Sind wir nicht alle Winzlinge und eigentlich kaum von Wert und denken dabei doch wir wären der Mittelpunkt der Welt, naja jedenfalls in unserer eigenen Welt. Da sind wir ja auch der Mittelpunkt, und der müssen wir auch sein.
Ich glaube mein Denken ist so beschränkt, ich glaube mein Gehirn ist viel zu klein um Irgendetwas so zu erfassen, wie es wirklich ist.
Vielleicht lebe ich eine Lüge, vielleicht ist mir Alles und Jeder um Meilen vorraus. Vielleicht komm ich auch niemals mehr dort an, wo ich mal war.
Ich frag mich, warum das Leben krank macht und warum es weh tut? Warum müssen wir leiden? Warum freuen wir uns trotzdem, wenn neues Leben entsteht, obwohl wir doch genau wissen, dass auch dieses Leben leiden wird?
Ist für mich nicht nachvollziehbar dieses Kosten und Nutzen-Verhältnis.
Ich sollte aufhören über sowas nachzudenken, das geht weit über den Tellerrand hinaus und ich glaube Menschen sind dafür nicht geschaffen zu weit zu denken.
Sicherheit wird es wohl für mich nicht geben oder Beständigkeit und erst recht keine Gerechtigkeit.
Manchmal wünschte ich, ich könnte mein Leben verschenken, an Jemanden der es besser zu nutzen weiß, der mehr für sich rausholen könnte, Jemand der viel mehr daran hängen würde. Da fängt ja die Ungerechtigkeit schon an...und sie hört niemals auf.
Liebes Leben, ich frage mich ehrlich manchmal was ich noch mit dir anfangen soll.
Du bist ganz schön hartnäckig und so leicht ist das mit dem loslassen garnicht.
Was ja noch viel unsicherer ist, als das Leben an sich, ist das, was dannach passiert.
Denn das Leben ist eigentlich vohersehbar, jedenfalls im Großen und Ganzen, natürlich nicht im Detail, aber am Ende liegen wir Alle irgendwo rum ohne Atmung und Herzschlag.
Aber ich fange jetzt ganz sicher nicht an, mir auch noch darüber Gedanken zu machen, was dannach kommt.
Das geht dann nicht nur über den Tellerrand, sondern über den Tischrand hinaus, und da will ich glaub garnicht hin, dass ist mir dann doch zu weit.
Ich verzieh mich lieber wieder in die Mitter meines tiefen Tellers und ziehe weiter meine Kreise.
Ich wollte dir nur sagen liebes Leben, dass du ganz schön grausam bist, dass du mich ganz schön umhauen kannst und mich regelmäßig aus der Bahn wirfs, und dass ich dich manchmal garnicht leiden kann.
Ich weiß nicht in welcher Art von Beziehung ich zu dir stehen soll, wie gesagt du bist und bleibst mein größtes Rätsel.
Aber ich klammere mich weiterhin an dich, weil du mein wertvollster Besitz bist.
Bedanken werde ich mich trotzdem nicht bei dir!
Viele sagen immer "der Sinn des Lebens ist leben".
Ein blöder Satz irgendwie, aber es ist wohl was Wahres dran.
Aber ich wollte ja garnicht nach dem Sinn fragen, soweit bin ich schon, dass ich weiß, dass Sinnsuche sowas von sinnlos ist.
Ich wollte dir, liebes Leben nur mal sagen, dass du richtig doof bist. Wie ein patziges, beleidigtes Kleinkind, dem die Sandburg gerade zerstört wurde, sag ich dir einfach ganz frech mal meine Meinung ins Gesicht:
"Du bist doof!"
Also auf weitere "doofe" Zusammenarbeit mit dir.
Man sieht sich (leider).
raupenimmersatt am 28. April 16
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3 Kommentare
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Meine Güte, da hast du aber einen rausgehauen.
Ich sitze schon den ganzen Abend bei
stimmungsvoller Musik und lasse den durch deinen Text angeregten Gedanken freien Lauf. Dabei kann ich nicht einmal exakt formulieren, warum mich das so vielfältig triggert.
Hier musste ich mal herzlich lachen und über die dargelegte Sichtweise staunen und mich freuen.
Liebes Leben, ich frage mich ehrlich manchmal was ich noch mit dir anfangen soll.
Du bist ganz schön hartnäckig und so leicht ist das mit dem loslassen garnicht.
Aus meiner Warte sieht es nämlich so aus, dass ich der Hartnäckigkeit des Lebens wahnsinnig dankbar bin. Ohne diese Sturheit würde ich wahrscheinlich deinen Text niemals gelesen haben können. Wär' doch schrecklich, oder?
Tja, das mit dem "was soll man damit anfangen?" lässt sich natürlich nicht eineindeutig beantworten.
"Was soll denn noch kommen? Füße stillhalten und Restzeit absitzen und das möglichst ungestört." so formulierte es letztens ein Kumpel von mir. Aber das ist wohl wenig für fortgeschrittene Lebenseinsteiger und Startups geeignet.
Falls dir einfallen sollte, wie du es praktizieren könntest, wäre möglicherweise folgender Ansatz fruchtbar: statt "doof" als Hauptattribut des Lebens festzusetzen, wäre irgendein freundlicher Begriff passender und ebenfalls hilfreicher.
Also aus meiner Sicht könntest du halt etwas netter zu unserem gemeinsamen Weggefährten sein, denn ich habe ihm viel zu verdanken (bilde ich mir zumindest ein) und lebe im Glauben, dass es Anderen doch zumindest ähnlich ergehen müsste.
Und du signalisierst ja doch eine gewisse Kooperationsbereitschaft. Ich erahne da passendes Potential.
Die Tellermitte und das Kreiseln darin als Fallback führt nach meiner Erfahrung dazu, dass der Tellerrand näher zur Mitte rückt und sich so weit absenkt, dass der Blick unweigerlich darüber hinaus geht. Und dann hat man den Salat, und das auch noch völlig unvorbereitet.
So leicht lässt sich das Leben nämlich nicht austricksen. Wär' doch auch zu langweilig, oder?
Nochmal danke für deine vielfältigen Anregungen
LG
Bitte, gerngeschehen.
Ja, da hast du wohl recht, das wäre wirklich zu langweilig und ich sollte dem Ganzen wahrscheinlich wirklich etwas "freundlicher" gegenübertreten.
Ich bin ja auch durchaus kooperationsbereit, nur in manchen Momenten, da könnte ich das ganze Ding namens Leben gegen die Wand werfen, am besten noch alle Teller ob flach oder tief hinterherschmeißen und dann noch mit nem Panzer drüberrollen.
Aber wahrscheinlich würde es selbst dann noch aufstehen, mir hinterherrennen und sich an mich heften wie ne Klette.
Aber letztendlich bringen mir auch diese ganzen Metaphern grad nichts und das drübernachdenken, man bzw. ich muss wohl damit zurecht kommen, was mir das Leben nimmt und schenkt auch wenn ich das Gefühl habe viel zu lange schon in einem Defizit zu leben und vergessen worden zu sein von der Großzügigkeit des Lebens.
Das Leben ist zu den Einen großzügig und zu Anderen nicht?
Der Eindruck mag entstehen, wenn man die zeitgenössische Unsitte des Menschenvergleichens betreibt und die Ergebnisse dann überbewertet. Wirklich dramatisch, was da an vermeidbarem Bockmist herauskommen kann.
Als Referenzpunkt für besser-schlechter-Abwägungen ist mMn ausschließlich die eigene Person interessant.
Wenn ich mich mit beispielsweise meinem Nachbarn oder nem Kumpel oder einer beliebigen anderen Person vergleiche, ist das ja wie mit Äpfeln und Birnen. Die soll man ja auch nicht vergleichen, weil's nix bringt.
Aber wenn ich mich als Referenz heranziehe, beispielsweise eine frühere Version von mir, dann sind die Erkenntnisse geeigneter, daraus für mich Änderungen meiner Vorgehensweisen oder was auch immer abzuleiten. Das fühlt sich dann jedenfalls authentisch nach mir an.
Beim Vergleich mit meinem Nachbar bleibe ich dann eher in der Oberfläche stecken und schaue mir seinen Reichtum an. Nützt recht wenig. Sowieso habe ich beim Fremdvergleich schnell den Verdacht, dass ich damit eh nur herausfinden kann, wie ich "der Andere werde." Aber das will ich ja gar nicht, ein Anderer sein.
Dank eifriger Teilnahme an der h.e.a.d-revolution (hedonic engeneering and development) bin ich auf das fruchtbare Konzept des epikuräischen Hedonismus gestoßen. Damit kann man den Großzügigkeitsschalter des Lebens in eine neue Stellung bringen.
Musik ist ein tolles Beispiel für Geschenke, die das Leben so auf Lager hat. Das tanke ich mit Begeisterung und sehe in meiner Umgebung Viele, die es ähnlich handhaben.
Oder die unverhofften Geschenksmomente, die dem Leben immer mal wieder aus der Spendierhosentasche fällt. Hier, ich teile einen solchen Moment mit dir. Möge er dich inspirieren.
Heute (gestern) Morgen gegen 6°° aus meiner Haustür geknipst, als ich den Hund mal pieseln lassen wollte.
Eigentlich wollte ich "nur kurz mal" was schreiben, und nun ist es wieder üppig geworden. Seltsame Magie.
Falls dich das irgendwie nervt, dass ich dich so volltexte, dann signalisiere das bitte. OK?
Nachtrag: Das mit dem Bild soll wohl nicht sein. Schade eigentlich.